In Kapstadt herrscht Krieg

In Kapstadt herrscht Krieg, 30.9.2010

Solidarität: In Kapstadt herrscht Krieg

Gegen 6 Uhr früh am Montag, dem 20. (September 2010), eröffneten Regierungstruppen, die im Namen von Kapitalinteressen agierten, das Feuer auf die vorwiegend obdachlose Bevölkerung von Menschen, die in einem Ghetto auf dem Gorachoqua-Berg lebt; das ist eine alte Khoisan-Gegend, die von den Kolonialisten, der Apartheidregierung und dem gegenwärtigen, demokratisch gewählten Regime ‚Hangberg’ genannt wird. Das letztere behauptet, dass der Berg, der in letzter Zeit wegen seines packenden Blicks auf das Meer und seiner Nähe zu den Finanzzentren einen Nachfrageboom nach Immobilien seitens der Elite erlebt, sei privates Eigentum.

Am Mittwoch, dem 15. September, drohte Helene Zille, Premierministerin von Westkap, die im Namen der Finanzinteressen der sogenannten EigentümerInnen des Berges auftritt. Bei einem Treffen mit Vermittlern der community bestimmte sie, dass die Hütten am Gorachoqua-Berg, die vorwiegend aus Altmetall und anderem Abfall gebaut sind, zerstört werden müssen. Eine Weigerung würde zur gewaltsamen Vertreibung der Menschen aus ihren Häusern führen. Weiters drohte sie, falls die community die Menschen nicht rauswerfen würde, würde sie 4 Millionen Rand an Entwicklungsgeldern für die community von Gorachoqua, in der es Routine ist, dass junge Frauen schwere Wasserbehälter mehrfach täglich den Berg rauf- und runterschleppen und wo grundlegende Dienstleistungen wie Toiletten, Sanitäranlagen, warme Kleidung und menschliche Unterkünfte eine weit entfernte Realität sind, sperren. Die Vermittler der community, darunter ein Veteran der community namens Ras Naftali, die die Unrechtmäßigkeit der Forderung betonten, weigerten sich, die Nachricht an die community weiterzugeben und erklärten Zille, dass müsse sie schon selbst tun.

Am Freitag, 17. September, ordnete Zille an, das Ultimatum an die SlumbewohnerInnen weiterzuleiten und ging noch weiter: Wenn die Baracken nicht bis Montag entfernt seien, würden sie gewaltsam von Regierungskräften, die im Namen von Kapitalinteressen agierten, entfernt werden.

Drei Tage später, am Montag, 20. September, ehe die Kinder zur Schule gehen konnten, und an einem Tag, da die meisten Menschen in der Kälte schliefen, drangen fremde Polizeieinheiten aus anderen Städten, begleitet von gepanzerten Fahrzeugen, zu hunderten ein, begannen damit, Salven abzufeuern und das Ghetto einzukreisen. Ehe die Einheiten das Feuer eröffneten, war Ras Naftali an seinem Megaphon, wandte sich an die Polizeikräfte, und sandte eine Nachricht des Friedens von den Menschen: sie ersuchten die Polizei, ihr Eindringen in das Ghetto abzubrechen, sie wollten immer noch mit ihr reden. Ehe Naftali seinen Satz zu Ende bringen konnte, wurde ihm sein Megaphon aus der Hand geschossen. Auf alle, die sich zeigten, jung und alt, wurde sporadisch gezielt geschossen. Tränengas, Nebelkerzen und Elektroschockpistolen wurden gegen Mütter und Frauen, die hinter den Baracken standen, um sich um die Kinder zu kümern, eingesetzt. Ein Mann, der früh am Morgen auf der Straße seinen Kaffee trank, wie die meisten im Ghetto an diesem Morgen völlig ahnungslos, nicht wissend, warum es in der community Gewalt gab, wurde am Auge getroffen. Er sah die Kugel, ehe sie in sein Auge eindrang. Als er sich vor Schmerzen erbrach, bemerkte er, dass sein Erbrochenes nach Schießpulver roch. Seine kleine Tochter befindet sich derzeit in einem nahegelegenen Ghetto, weil sie sich davor fürchtet, ihren Vater anzuschauen. Ein anderer Bruder namens Loly wurde acht Mal am Körper getroffen. Die Wunden sind immer noch offen. Unter anderem traf die Polizei ihn am Penis. Regierungstruppen, die den im Privateigentum stehenden Berg beschützen, veruchten, einen anderen Bruder aus seiner Hütte zu vertreiben und schlugen ihn mit dem Gewehrkolben auf den Hinterkopf, während er sein Baby wickelte. In der 5 mal 3 Meter großen Hütte, in der seine Freundin und das Baby schlafen, liegen immer noch Patronenhülsen. Noch eine Woche später, als das hier niedergeschrieben wird, liegen lehre Patronenhülsen herum, bedeckt von menschlichen and Tierabfällen. Die meisten Männer leisteten vergeblich Widerstand, indem sie Steine warfen. Zahllose Individuen, einige jünger als 14 Jahre, wurden grundlos von den Truppen festgenommen und danach geschlagen. Andere berichten darüber, dass sie gefoltert wurden, damit sie Aussagen über den Widerstand machten, ehe sie zurück auf den Berg entlassen wurden. Viel mehr noch wurden verhaftet. Nur wenige erhielten eine medizinische Versorgung. Niemand kann es sich heute leisten, ins Spital zu gehen.

Neun Tage nach dem ersten Angriff sind die Berichte über die Brutalitäten so normal wie die Einschusslöcher und die hinkenden Menschen. Heute warten alle unruhig auf den nächsten Überfall, bei dem dutzende Blechhütten niedergemäht werden, die vielen Familien nur ungenügend ein Dach über dem Kopf bieten. Diejenigen, die immer noch für gewaltsame Entfernung vorgesehen sind, wissen nicht, wohin sie gehen sollten.

Der höchste und schönste Teil des Berges wurde von den Kolonialisten Sentinel getauft. Nach der mündlich überlieferten Geschichte der Khoisan, die Generationen zurückreicht, repräsentiert der Berg die vielen Gesichter der Natur, wegen der Eindrücke, die seine verschiedenen Seiten vermitteln. Der alte Berg, mit dem sich viele identifizieren, sollte vor einigen Jahren an eine Privatfirma verkauft werden. Der Protest der Armen verhinderte das vorerst; jedenfalls steht der Berg, der für Generationen sowohl physische als auch spirituelle Heimat war, immer noch zum Verkauf an, zu einem nominellen Preis. Weil der Berg einen unvergesslichen Ausblick auf das Meer bietet, wurde er zur bevozugten Immobilie der Extravaganten, sein Verkauf wird aber von den Obdachlosen, die gezwungen sind, hier Schutz zu suchen, behindert. In einer Gegend, in der ein opulentes Viertel direkt am Wasser wächst, ist ein Mega-Verkauf geplant. Die Menschen glauben, dass große Darlehen an die Regierung zusammen mit großzügigen internationalen Finanzierungen für etwas, das als Park bezeichnet wird, mit der Makellosigkeit des Berges zu tun hat, während den Tausenden, die dort leben und an Krankheiten, Mangelernährung und gewalttätiger Armut leiden, jegliche respektvolle oder verantwortungsbewusste Form von Subventionierung oder Unterstützung zum Wachstum der community vorenthalten wird. Angesichts des Grades an Armut sind die Kinder besonders betroffen, sie sind gefangen im Kreuzfeuer der Regierungstruppen, die den Weg für scheinbar Myriaden von Finanzinteressen ebnen. Die Medien in Südafrika, die eine lange und starke Beziehung zu den Reichen unterhalten, die den immensen Reichtum von Südafrika kontrollieren, haben das Bild eines Kriegs gezeichnet, eines sporadischen und bösartigen Angriffs der Obdachlosen auf die Regierungstruppen, in der Hoffnung, von dem Überfall abzulenken, indem sie die Geschichte verschleiern.

Heute blockieren ab Mitternacht massive Barrikaden aus Menschen und Fahrzeugen alle Straßen, die vom Berg wegführen, sie sperren die misshandelten und verletzten BewohnerInnen am Berg ein. Tagsüber wird ein Polizeistaat errichtet. Die BewohnerInnen sind ZeugInnen eines großen Zustroms von Polizisten in eine Gegend, die jahrhundertelang von der Regierung vernachlässigt wurde.

Heute nacht schlafen die Menschen in einem Kriegsgebiet, im Wissen, dass der nächste Angriff noch stärker sein wird.

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