Kollektiv statt individuell – AbM KwaZulu-Natal an AbM Westkap

Zur Quelle, Abahlali baseMjondolo, 19.4.2012

Kollektivismus versus Individualismus

Als unsere Bewegung begann, wusste niemand von uns, dass Abahlali so stark wachsen würde, und so stark würde, dass es Punkte von nationalem Interesse anpacken könnte. Abahlali ist, wie die meisten sozialen Bewegungen, weiterhin nicht nur staatlicher Repression ausgesetzt, sondern auch der Repression durch NGOs, und der Repression von linken AkademikerInnen, die immer noch glauben, es sei ihre Pflicht, für die Armen zu denken, sie zu vertreten und für sie zu entscheiden. Wir leisten weiterhin gegen all diesen Druck Widerstand und bestehen darauf, dass unser Platz in den Baracken ist, nirgends sonst. Wir artikulieren weiterhin unseren Zorn und unseren Frust aus den dunklen und eingeschlossenen Ecken unseres Universums. Wir nehmen auch weiterhin unseren Platz in unserer Gesellschaft ein. Wir besetzen Land und wir besetzen Plätze in den Medien und in öffentlichen Diskussionen. Manchmal ist das gar nicht so leicht. Manchmal ist es gefährlich. Aber wenn es möglich ist, dann ist es dehalb möglich, weil wir zusammenarbeiten. Wenn du arm bist, kann deine Stärke nur aus der Zusammengehörigkeit kommen. Die ist alles, was du hast. Ohne sie bist du isoliert und allen möglichen Angriffen gegenüber wehrlos. Deshalb ist die Philosophie von ubuhlali eine Philosophie der Kollektivität, und deshalb arbeiten wir so hart daran, zu verhindern, dass unsere Bewegung in Individualismus kollabiert.

Eine Bewegung der Armen steht vor vielen Herausforderungen. Es gibt die staatliche Repression. Es gibt Versuche der Vereinnahmung durch politische Parteien. Es gibt die Vereinigungen der Vermieter und Hauseigentümer, die uns aus den Räumen räumen lassen wollen, von denen sie glauben, sie wären nur für sie da. Es gibt Kräfte, die versuchen, die Bewegungen in die Zivilgesellschaft und deren Logik zu integrieren. Es gibt auch eine rückständige Linke mit Anspruch „führt sie oder zerstört sie“ gegenüber den Bewegungen der Armen. Es gibt diese Baracken-Lords, die Landbesitzer, traditionellen Führer und Kriminelle. Es gibt eine ethnisierende Politik. Es gibt Männer, die die Führung durch Frauen nicht akzeptieren. Wir haben gegen all diese Formen von Repression, Regression und Kooption Widerstand geleistet. Wir müssen eng beieinander stehen im täglichen Leben und in den Kämpfen unserer Mitglieder. Gleichzeitig müssen wir uns mit dem Staat anlegen, mit den NGOs und den Gerichten, um echte Siege für unsere Mitglieder zu erringen, während wir unsere Autonomie aufrecht erhalten, und während wir unsere Vision einer gerechten und gleichberechtigten Gesellschaft aufrecht erhalten, eine Vision, die bedeutend größer ist als „grundlegende Dienstleistungen“.

Aber unsere Bewegung steht nicht nur Herausforderungen und Kräften gegenüber, die uns von außen bedrohen. Einige dieser Kräfte scheinen sich im Inneren unserer Bewegungen zu befinden. Eine Menge Bewegungen erlebte unlängst ernste Krisen, darunter Bewegungen, mit denen wir eng zusammengearbeitet haben. Die AEC (Anti Eviction Campaign), das LPM (Landless Peoples‘ Movement) und APF (Anti Privatisation Forum) standen alle vor ernsthaften Problemen. Für dies Krise gibt es eine Menge Gründe. GenossInnen werden müde. Der Stress, der von der Repression herrührt, führt oft dazu, dass GenossInnen panisch werden und sich untereinander zu bekämpfen beginnen. GenossInnen können von NGOs oder politischen Parteien vereinnahmt werden. Manchmal haben wirklich mutige GenossInnen erstaunliche Gedankengänge entwickelt, weil sie dachten, aufgrund ihres jahrelangen Engagements hätten sie besondere Vorrechte. Manchmal geraten sie unter starken Druck durch ihre Familien, weil sie nach jahrelangem Kampf ihren Familien nichts bieten können. Manchmal hat die Art und Weise, in der die Medien und einige (finanzielle) UnterstützerInnen und NGOs die Bewegungen individualisieren, zu diesen Problemen beigetragen. Manchmal dringen die ethnizistische Politik oder individuelle Ambitionen in die Bewegungen ein.

Unsere Bewegung ist oft ersucht worden, vermittelnd oder beratend einzugreifen, wenn andere Bewegungen in die Krise gekommen sind. Wir glauben, wenn es möglich ist, ist es immer besser, an der Einheit zu arbeiten, und dass niemand verurteilt werden sollte, ohne das Recht erhalten zu haben, seine eigene Darstellung der Geschichte vorzutragen. Wir glauben, dass es wichtig ist, sich sorgfältig an die bewiesenen Fakten zu halten und Gerüchte zu vermeiden. Wir glauben, dass wir alle Fehler machen, und dass es Raum geben muss, Fehler anzuerkennen, aus ihnen zu lernen und so weiter zu kommen. Wir glauben, wenn unsere GenossInnen, die sich wirklich engagieren, Fehler gemacht haben, dann müssen wir daran arbeiten, sie zum echten Geist unserer Bewegungen zurück zu bringen. Wir glauben, dass die Bewegungen der Armen nicht daran gemessen werden sollten, was Außenstehende über sie sagen. Wir stellen fest, dass NGOs und AkademikerInnen, die sauer sind, weil Bewegungen nicht ihren Anordnungen folgen, eine lange Geschichte in den Versuchen der Unterminierung dieser Bewegungen mittels Gerüchten, Lügen und sogar der Unterstützung des Staates gegen uns haben, und darin, akademische Artikel zu verfassen, die einfach nicht wahr sind. Sie meinen, sie hätten ein Recht, über andere Leute, die arm und schwarz sind, öffentlich alles zu behaupten, was sie wollen, ohne jeglichen Beweis für die Richtigkeit ihrer Aussagen vorlegen zu müssen. Das ist nicht unsere Politik.

Alle Bewegungen werden irgendwann ernsthafte Probleme haben. Wir glauben nicht, dass Bewegungen verurteilt werden sollten, weil sie Probleme haben. Wir glauben, dass Bewegungen daran beurteilt werden sollten, wie sie mit diesen Problemen umgehen.

Viele Leute haben Abahlali in KwaZulu-Natal gefragt, warum wir uns so sehr von Abahlali in Westkap unterscheiden. Um es klar zu machen, einige Zeit, nachdem Abahlali 2005 in KwaZulu-Natal begonnen hatte, gab es eine Anfrage von einigen Leuten in Westkap, die einen ähnlichen Kampf unter der Führung von Abahlali baseMjondolo Südafrika führen wollten. In KwaZulu-Natal war es schwierig gewesen, die Bewegung zwischen Durban und Orten wie Pietermaritzburg und Howick zusammen zu halten. Die Art und Weise, in der wir uns organisieren und unsere Gemeinsamkeit aufrecht erhalten, ist: zusammen zu sein, gemeinsam zu diskutieren und gemeinsam zu entscheiden, und das ist bei größeren Entfernungen schwierig. Kapstadt ist noch weiter entfernt. Mit dem Bus sind es 25 Stunden dorthin. Auch ist die (offizielle) Politik in jeder Provinz anders. Beispielsweise ist KwaZulu-Natal eine vom ANC regierte Provinz, wie 8 weitere Provinzen in Südafrika, aber Westkap wird von der DA (Demokratische Alternative, Abspaltung vom ANC) regiert.

Deshalb haben wir anerkannt, dass jede Provinz unabhängig von den anderen ist, dass sie ihre eigene Autonomie hat, dass aber jede Provinz unter der gleichen Verfassung arbeitet. Das hat bedeutet, dass Westkap seine eigene Führung gewählt hat, selbst die Kampagnen und Strategien beschlossen hat. Das bedeutet auch, dass jede Provinz ihre eigenen Ressourcen unabhängig verwaltet. Deshalb war Abahlali in Westkap eine separate, aber alliierte Struktur, die sich jeglicher Kontrolle durch AbM KwaZulu-Natal entzog. Die Führung in KwaZulu-Natal wird ausschließlich von den Mitgliedern hier gewählt, und die Führung in Westkap wird ausschließlich von den Mitgliedern in Westkap gewählt.

Wir haben die Gründung von Abahlali Westkap unterstützt und sogar eine Delegation geschickt, um sicher zu gehen, dass alles transparent und demokratisch zugeht. Wir waren sehr zufrieden mit der Form von Führung, die damals installiert wurde. Wir möchten all diesen GenossInnen, die mutig genug waren, den Kampf voranzutreiben, danken. Wir zweifeln nicht daran, dass alles, was Abahlali Westkap erreicht hat, das Ergebnis ihrer Anstrengungen um Gleichheit, Gerechtigkeit und Demokratie war. Es gab viele Kampagnen, die couragiert durchgeführt wurden, und es gab starke Unterstützung von den Mitgliedern. Die Right to the City-Kampagne war sehr populär.

Aber unlängst sind einige Mitglieder aus Kapstadt an AbM KwaZulu-Natal herangetreten, um ihren Sorgen wegen mehrerer Entwicklungen in der Bewegung in Kapstadt Ausdruck zu verleihen. Wir wählten eine Delegation von einigen unserer besten AktivistInnen, um die 25stündige Reise nach Kapstadt anzutreten, und sprachen mit vielen unserer Mitglieder dort. Wir wollten nicht über irgendwelche Individuen urteilen, ohne ihnen die Chance gegeben zu haben, ihre Sichtweise der Geschichte zu präsentieren. Und wir möchten die Organisation in Kapstadt nicht übernehmen. Sie muss weiterhin selbst ihre Führung wählen. Jedenfalls meinen wir nach unserem Besuch in Kapstadt, dass wir nicht genug unternommen haben, um die Philosophie des Abahlalismus ausreichend zu erklären und zu stärken, und das liegt an der Entfernung zwischen den beiden Provinzen. Unser eigener Kampf, gegen die Repression in Durban zu überleben, hat eine Menge unserer Zeit und Energie in Anspruch genommen.

Der Abahlalismus hat uns gelehrt, humaner zu sein, ehrlich zu sein, aufeinander zu achten und gemeinsam mit anderen zu arbeiten, ohne eine Abhängigkeit zu schaffen. Die lebendige Politik meint, dass wir nicht für communities kämpfen, sondern mit den communities. Sie meint, dass es ohne die communities nichts für die communities geben wird. Sie meint, dass alle FührerInnen gewählt werden müssen, und dass sie jederzeit (nach festgelegten Regeln) wieder abberufen werden können, wenn es Bedenken hinsichtlich ihres Führungsstils gibt. Die lebendige Politik lehnt jeglichen Individualismus gegenüber dem Kollektivismus ab.

Nach unserem Besuch in Kapstadt möchten wir bestätigen, dass in einigen Fällen diese Philosophie des Abahlalismus irgendwie am Weg verloren gegangen ist. Wir bemerken, dass dort viele gute Dinge passiert sind, und dass es Mitglieder gibt, die immer noch an die Bewegung glauben. Aber es ist klar, dass es eine Sanierung der Bewegung in Kapstadt geben muss.

Es gab die klare Forderung einer großen Anzahl an Mitgliedern in Kapstadt, dass AbM KwaZulu-Natal die Bewegung in Kapstadt bei dieser Sanierung unterstützen muss. Wir haben zugestimmt, das zu tun, und haben einen Prozess in Gang gesetzt. Dieser Prozess wird allen die Möglichkeit bieten, ihre Ansichten vorzubringen, es wird kein Urteil ohne Beweise geben, und das Ziel muss sein, den Abahlalismus und Abahlali Westkap zu stärken.

Wir möchten allen GenossInnen und FreundInnen von Abahlali versichern, dass die Bewegung daran arbeitet, die Philosophie des Abahlalismus in beiden Provinzen und überall, wo Abahlali existiert, zu stärken.

Abahlali Westkap wird am 21. April in der Sektion Khayelitsha eine Interimstruktur wählen, um diesen Prozess voranzutreiben. Abahlali KwaZulu-Natal wird zwei Delegierte schicken, um diesen Prozess zu unterstützen.

Kontakt: Mnikelo Ndabankulu, 081 309 5485; Bandile Mdlalose, 071 424 2815; TJ Ngongoma, 084 613 9772.

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