So machen wir das

ZurQuelle, Rede von Mzwakhe Mdlalose, 21.4.2012 im Foundry Theatre, New York 1

So machen wir das

Ich danke dem Foundry Theatre für die Gelegenheit, dass ich hier Abahlalis Geschenk und Beitrag zu unserer Welt teilen darf. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch der Bewegung Abahlali baseMjondolo (der Bewegung der BarackenbewohnerInnen) danken, die mir ihr Vertrauen ausgesprochen hat, indem sie mich ermächtigt, euch über die Kämpfe der BarackenbewohnerInnen in Südafrika nach der Apartheid zu berichten, ihren Überlebenskampf gegen den Neoliberalismus, der eine sehr moderne Form einer neuen Apartheid darstellt. In dieser neuen Form von Apartheid werden wir immer noch gespalten in diejenigen, die zählen und diejenigen, die nicht zählen, die, die in den Städten leben können und die, die das nicht können, die, die sprechen dürfen und die, die nicht sprechen dürfen, die die dazu verdammt sind (bei Barackenbränden) zu verbrennen und, die in Sicherheit leben können.

Ich fühle mich geehrt, mitten unter GenossInnen aus aller Welt sprechen zu dürfen. Ich weiß, dass ich von euch allen viel Interessantes lernen werde. Jahrelang haben NGOs und AkademikerInnen die Kämpfe der Armen in Südafrika bei internationalen Foren vertreten. Für uns war es ein jahrelanger Kampf, an den Punkt zu gelangen, dass wir uns in diesen Räumen selbst repräsentieren können. Wir möchten ganz klar machen, dass einige der NGOs und AkademikerInnen sich unserer Forderung widersetzt haben, dass wir fähig sind, selbst zu denken und für uns zu sprechen, dabei haben sie ebenso viel Hass unserer Menschlichkeit gegenüber gezeigt wie der Staat. Einige von ihnen wollen unsere Bosse sein, nicht unsere GenossInnen. Einige von ihnen haben versucht, das zu zerstören, was sie nicht kontrollieren können, mit den gleichen Taktiken wie der Staat. Sie haben uns als Kriminelle hingestellt. Als Leute, die nicht für sich selbst denken können. Als Leute, die benutzt werden. Wir ziehen eine klare Trennlinie zwischen denjenigen, die bereit sind, gemeinsam mit den Armen zu kämpfen, um Teil von uns zu werden, mit uns zu denken, und denjenigen, die auf ihrem Recht bestehen, für die Armen zu denken und zu sprechen. Wir sind nicht auf der Suche nach neuen Herren, im Namen unserer neuen Freiheit. Wir ziehen eine klare Trennlinie zwischen diesem Teil der Linken, die meint, dass sie ein Recht hätte, die Unterdrückten zu führen, und dem Teil der Linken, die, egal wo sie in diese Welt geboren wurden, tagtäglich und Jahr für Jahr mit den Unterdrückten zusammen arbeiten, um die Macht der Unterdrückten aufzubauen.

Abahlali entstand aus Zorn, Hunger und Frustration. Es entwickelte sich aus einer Straßenblockade in Durban im März 2005, bei der 14 GenossInnen verhaftet und wegen öffentlicher Gewalt bestraft wurden. Diese Straßenblockade wurde in einer Siedlung namens Kennedy Road organisiert. Zu dieser Zeit konnte sich niemand von uns vorstellen, was die Zukunft für die BarackenbewohnerInnen in Kennedy Road bereithielt, die sich weigerten, von den Früchten unserer Demokratie und von der Entwicklung ausgeschlossen zu bleiben. Eine Demokratie, die dazu verkommen ist, den Interessen der wenigen zu dienen, während die Mehrheit in Südafrika immer noch in tiefer Armut lebt. Das erste, das die Bewegung unternahm, war, dass wir uns selbst definierten, ehe andere das für uns tun würden. Es stand bereits fest, dass wir als Menschen betrachtet wurden, die in unserer eigenen Gesellschaft nicht zählen. Es war klar, dass der Staat und die NGOs uns definieren wollten. Wir erkannten, dass die BarackenbewohnerInnen als hilflose und wertlose Menschen betrachtet werden. Als Menschen, die die Intervention einer NGO oder von AkademikerInnen brauchen, die uns eine gute politische Bildung bringen und für uns sogar eine politische Richtung bereithalten. Wir verweigerten uns. Wir definierten uns selbst in einem Disussionsprozess über unsere Situation, in dem wir unsere eigenen Schlussfolgerungen zogen darüber, wer wir sind, was wir brauchen und wie wir dafür kämpfen können.

Wir mobilisierten BarackenbewohnerInnen und arme communities um ein gemeinsames Ziel und Verständnis. Wir setzten uns für Land und Wohnraum in unseren Städten ein, bemühten uns um eine Verbesserung der informellen Siedlungen und kämpften gegen Zwangsräumungen. Wir bemühen uns immer noch um das Recht der Armen auf die Stadt. Wir veranstalten Demonstrationen. Wir appellieren, wir halten Mahnwachen (Streikposten) 2 vor staatlichen oder regionalen Ämtern ab, und ja, wir machen Nachtwachen mit Fackeln etc. Wir greifen auch zu direkten Aktionen. Wir schließen uns selbst an das Stromnetz an. Wir besetzen Land. Der Staat hat den Armen in Südafrika gezeigt, dass die einzige Sprache, die er versteht, Protest ist. Wir müssen sie dazu zwingen, unsere Menschlichkeit zu akzeptieren. Ohne Organisation und Protest gibt es keinen Fortschritt. Deshalb haben wir die Kampagne „Kein Land, kein Wohnraum – keine Stimme“ initiiert. Damit machen wir Druck auf die Behörden, damit sie unserer Notlage Gehör schenken und uns ernst nehmen. Aber auch, weil wir unsere Macht nicht an PolitikerInnen abgeben wollen, die die Menschen als Sprossen auf ihrer Karriereleiter benutzen. Wir möchten unsere Macht für uns selbst behalten. Wir möchten unsere eigene Macht aufbauen, von unten her.

Wir glauben, dass unser Kampf unsere Schule ist. Deshalb haben wir die Universität Abahlali baseMjondolo gegründet. Das ist unsere politische Schule, wo wir voneinander lernen. Wir lernen aus unseren Treffen, bei unseren nächtlichen Lagern, die wir vierteljährlich abhalten. Wir lernen auf den Straßen, während wir protestieren, und wir lernen in den Gerichtssälen. Aber am meisten haben wir von den alten und jungen Frauen und Männern gelernt. Unsere Treffen sind das Zentrum unserer Bewegung. Dort diskutieren wir und denken gemeinsam nach. Wir besprechen die Dinge durch, bis wir zu einem gemeinsamen Verständnis gelangen. GenossInnen aus Amerika waren oft schockiert darüber, wie lange unsere Treffen dauern, und wie viele Dinge wir diskutieren. Aber die Treffen sind die Grundlage unserer Stärke.

Wir haben Allianzen aufgebaut mit den wenigen NGOs, die bereit sind, uns eher als GenossInnen denn als Kinder zu betrachten. Wir veranstalten Rechtshilfe-Workshops in Zusammenarbeit mit anwaltlichen NGOs wie dem Socio Economic Right Institute of South Africa (SERI) und anderen PartnerInnen, aber wir veranstalten auch politische Schulungen, die uns dabei helfen, zu werden, wer wir sind.

Abahlali hat eine neue Politik geschaffen, die wir Lebendige Politik nennen. Es ist eine lebendige Politik, weil sie von den Alten und den Jungen verstanden wird, den Gebildeten wie den Ungebildeten. Es ist die Politik, die den Punkt anspricht, dass wir kein Wasser, keinen Strom in den Baracken haben, oder dass das zu teuer geworden ist, während aber, wie Mnikelo Ndabankulu von Abahlali es sagt: „unser Leben diese Dienstleistungen braucht“. JedeR kann die Rechtmäßigkeit dieser Politik erkennen. JedeR kann diese Politik gemeinsam anwenden. Das ist die Politik, die uns vorwärts treibt. Diese Politik negiert das System der Parteipolitik, die einen top-down-Zugang verfolgt, der sich manchmal gegen den Willen der Menschen richtet. Es ist die Politik, die uns 2009 geleitet hat, als die vom Staat unterstützten Banden uns in Kennedy Road angriffen und viele von uns, auch mich, aus unseren Häusern vertrieben.

Es ist völlig klar, dass Südafrika eine der ungleichsten Gesellschaften der Welt ist, und dass die Kluft zwischen den Reichen und den Armen immer tiefer wird. Wir glauben, dass die Probleme, vor denen wir stehen, politische sind, keine technischen. Wir glauben, dass wir die Macht der Armen von unten her aufbauen sollten. Wir glauben auch, dass Freiheit und Gleichheit nur erreicht werden können, wenn die Armen selbst die Führung übernehmen und sich selbst in ihren eigenen Leben leiten.

Die Bewegung hat viele Siege errungen, darunter den Sieg gegen das „Slumgesetz“, ein Gesetz, das darauf abzielte, alle Baracken in der Provinz 3 nieder zu reißen, ohne Rücksicht auf die Schutzbestimmungen, die die nationale Gesetzgebung vorsieht. Es war ein Krieg gegen die Armen. Der Verfassungsgerichtshof erkannte dieses Gesetz für ungültig und nicht verfassungswidrig. So haben wir die meisten Räumungen, von denen die communities in den Barackensiedlungen in unseren Städten bedroht sind, verhindert. Wir haben einen Kampf gegen die Kriminalisierung von AktivistInnen durch den Staat, beispielsweise im Fall der Kennedy 12 gewonnen. Wir haben erfolgreich unsere Räume für unsere lebendige Politik verteidigt und wir haben unsere eigenen internationalen Verbindungen aufgebaut.

Aber Abahlali ist keine perfekte Bewegung, und wir stehen vor vielen Herausforderungen. Einige kommen von innen, und einige von außen. Die Repression hat unsere Bewegung beschädigt. Einige unserer Mitglieder, die durch die gewalttätigen Angriffe in Kennedy Road 2009 vertrieben wurden, sind immer noch obdachlos. Der Staat weigert sich immer noch, Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, die unsere communities brauchen, er weigert sich sogar, in diesem Punkt auch nur zuzuhören. Barackenbrände, Überschwemmungen, Verbrechen und Krankheiten, die durch die Ignoranz seitens des Staates und seiner Agenten verursacht sind, dauern an. Es gibt immer noch keinen politischen Willen seitens unserer Regierung, etwas gegen die Korruption in der Verwaltung, gegen die Politisierung der Dienstleistungen oder gegen ein ökonomisches System, das weiterhin einige reich und andere arm macht, zu unternehmen.

Wir sollen Ruhe geben, sollen nette Jungs und Mädchen sein, während andere für uns unser Leben planen. Wir haben es, trotz ernsthaftem Widerstand durch den Staat und einige NGOs, geschafft, unseren Platz in der Welt einzunehmen, als Menschen, die denken und die ein Recht darauf haben, an allen Diskussionen teilzunehmen. Trotzdem haben wir einen langen, langen Weg vor uns, ehe wir stark genug sein werden, diese sehr moderne Apartheid zu stoppen, die uns weiterhin spaltet in Reiche und Arme, in Menschen, die zählen und Menschen, die nicht zählen, in Menschen, die verbrennen müssen und Menschen, die in Sicherheit leben können, welche, die denken dürfen und Menschen, die stumm in dunklen Winkeln sitzen sollen. Aber wir wissen, dass wir nicht allein sind. Überall in Südafrika kämpfen Menschen. Überall in der Welt kämpfen Menschen. Gemeinsam sind wir stark.

Anmerkungen

1Vom 20. – 22.4.2012 fand im Foundry Theatre, New York, ein „Festival der Dialoge“ statt, zu dem u.a. der Präsident von Abahlali baseMjondolo eingeladen war. Siehe hier

2″picket“ kann beides bedeuten

3gemeint ist die Provinz KwaZulu Natal, in der Durban liegt

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