Wer schoss zuerst?

Wer schoss zuerst?, 27.10.2010

Wer schoss zuerst? Der Aufstand von Hangberg

“Wer schoss zuerst?” Das ist die Schlüsselfrage in Dylan Valley und Aryan Kaganof’s The uprising of Hangberg, der letzte Nach auf Labia on Orange gesendet wurde.

Die Dokumentation zeigt überwältigende Beweise, dass die Metro Polizei ungerechtfertigterweise Gewalt anwendete, als sie am Dienstag, dem 21. September, in Hangberg eintraf, um informelle Häuser auf einer Feuerschneise zu zerstören.

Der Film zeigt eine Serie von Interviews, in denen argumentiert wird, dass die Polizei die Standardprozedur verletzte, indem sie auf die Köpfe der Menschen zielte. Einige unbeteiligte ZuschauerInnen verloren ein Auge wegen dieses Einsatzes von Gummigeschossen. Einer von ihnen beschreibt vor der Kamera, wie sie aus nächster Nähe auf sein Gesicht zielten.

Der Eindruck, den ich vor einem Monat aus den Medien hatte, war völlig anders. Ich wusste, dass Zusammenstöße zwischen der Polizei und BewohnerInnen von Hangberg stattgefunden hatten, aber mir schien, dass die Gesetzeshüter eine Gruppe von Störenfrieden aussortierten. Um einen Eindruck davon zu erhalten, wie der selbe Vorfall in unterschiedlicher Weise dargestellt werden kann, vergleichen Sie doch diesen Beitrag mit jenem.

Hier geht es um Objektivität und es ist schwer zu entscheiden, von welcher Seite man das betrachten sollte. Valley und Kaganof zeigen die Polizei als Aggressoren, während die meisten Zeitungsartikel, die ich gelesen habe, die DemonstrantInnen als die schuldige Partei darstellten. Die Bilderserie auf news24 steht eher auf Seiten der Polizei. Beachten Sie, wie die Bildunterschrift bei Bild 11 feststellt, dass „die Polizei schoss im Gegenschlag mit Gummigeschossen“. Uprising at Hangberg zeigt, dass die BewohnerInnen im Gegenzug mit Steinen warfen, nachdem auf sie geschossen worden war.

An einer Stelle in der Dokumentation werden in Zeitlupe die Augenblicke gezeigt, ehe die Polizei zu schießen begann. Wir sehen Leute, die den Hügel runterkommen, um die Polizei zu treffen. Sie scheinen nicht feindselig zu sein und sie werfen keine Steine. Dann springt der Film, aus welchen Gründen auch immer, einige Sekunden weiter. Die Polizei feuert Gummigeschosse und die BewohnerInnen laufen in verschiedene Richtungen. Es ist nicht klar, ob der Verfasser das dazwischenliegende Material rausgeschnitten hat, weil es das Argument, dass „die Polizei zuerst schoss“, abschwächt, oder ob es verloren gegangen ist, weil die Kamera nicht aufgenommen hat.

Aber außer Zweifel zu stehen scheint, dass die Polizei bereits in feindseliger Haltung angekommen ist. Die Dokumentation zeigt eine Reihe von ZeugInnen, die sagen, die Polizei habe beleidigend gesprochen. Ein schwangeres Mädchen wird gezeigt, dass weint, weil ein Polizist sie geschlagen hat. Ein 14jähriger Junge beschuldigt die Polizei, sie habe ihn verletzt, verhaftet und mit einer Schusswaffe, die auf seine Hoden gerichtet war, bedroht.

Die Dokumentation behauptet, dass Helen Zille vor die Menschenrechtsverletzungen, die in Hangberg stattgefunden haben, verantwortlich sei. Sie endet mit einem Aufruf an sie, ihr Amt als Premierministerin von Westkap niederzulegen. Wenn mehr Menschen The uprising of Hangberg sehen, könnte das ihrem Ansehen ziemlich schaden. Es könnte ihr Fahrenheit 9/11 werden, obwohl das Bush nicht davon abgehalten hat, wiedergewählt zu werden.

In den letzten Jahren habe ich Helen Zille unterstützt, aber mir fällt es schwer, die Vorfälle in Hangberg mit ihrem Image der gerechten Sauberfrau in Übereinstimmung zu bringen. Ein Interview zeigt, dass sie zu diesem Punkt eine herablassende Haltung einnimmt. Sie argumentiert, dass es nur eine kleine Gruppe von Rastas sei, die Probleme verursacht und friedliche Verhandlungen verunmöglicht. Als sie das sagte, erinnerte es mich an die Argumentationen der Apartheidregierung. Sie sagten immer, die Proteste in den townships würden von einer kleinen Gruppe von kommunistischen Agitatoren verursacht, die nicht den Willen des Volkes ausdrückten. Wir wissen jetzt, dass das Propaganda war, aber es ist ein Argument, das immer wieder kommt.

Uns fällt es leichter, die Brutalität abzulehnen, wenn wir sagen, dass es nur ein Haufen Rastas war, Drogendealer oder „Landbesetzer simbabwischen Stils“. Aber die Dokumentation gibt Grund zur Annahme, dass es nicht nur Kriminelle waren, sondern eine ganze community, die sich erhob. In einer Szene beweist der Filmemacher, dass die BewohnerInnen, die ihre Augen verloren, fälschlicherweise als steinewerfende DemonstrantInnen gekennzeichnet wurden. Er zeigt einen Zeitungsartikel, der irrtümlicherweise Leute mit Augenverletzungen als Steinewerfer auf andern Fotos beschreibt. Er findet den Steinewerfer und den verletzten Mann, um zu zeigen, dass es zwei völlig verschiedene Menschen sind.

Ich fürchte jedenfalls, dass dieser Film zu einer ethnischen Mobilisierung führt. Einige der BewohnerInnen argumentieren, dass sie ein Recht darauf haben, hier zu leben, weil sie Khoisan sind und das Land ihren Ahnen gehört. In gleicher Weise, wie die Afrikaaner den Mythos vom Großen Treck schufen, um behaupten zu können, dass sie Eigentümer des Landes seien, sagt ein Bewohner, er habe das Recht, in Hangberg zu leben, weil der Berg dem Gesicht seines Vorfahren ähnle. Ich begreife, dass die Form zu denken Menschen inspirieren kann, aber ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist.

Wenn die BewohnerInnen Besitzanspruch aufgrund ihrer ethnischen Identität behaupten und stolz sagen, dass sie nur in ein Grab ausweichen würden, wird es heikel. Diese Form von Denken führt zu einer Art Konflikt, wie wir ihn in Israel/Palästina erleben. Hangberg sollte als Frage von Menschenrechten, nicht von ethnischen Rechten betrachtet werden. Die Vorfälle, die am 21. September stattgefunden haben, sollten untersucht werden und es sollte erklärt werden, dass Menschenrechte verletzt wurden, aber das müssen wir abwarten.

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